Push – Für das Grundrecht auf Wohnen

Am Dienstag (16. Juli) lief im Rahmen der Filmreihe „Klappe auf für Menschenrechte!“ des Münsteraner Vereins Vamos der Film „Push – Für das Grundrecht auf Wohnen“ (Trailer) im Cinema. Im Anschluss diskutierten vier Initiativenvertreter des Bündnisses „Münster gehört uns allen“ über die lokalen Perspektiven zur Umsetzung des Grundrechts auf Wohnen, was bezahlbaren Wohnraum für alle umfasst.

Die LEG-Mieter*innen-Initiative Münster vertrat Mats Reißberg auf dem Podium. Er forderte insbesondere Mitspracherechte für Mieter*innen: „Wir setzen uns dafür ein, dass bei der LEG – aber auch allen anderen größeren Vermieter*innen – Mieter*innenräte geschaffen werden. Unser Vorbild sind die Kämpfe der Arbeiter*innen in der Industrie des 19. Jahrhunderts.“

Diese Forderung lässt sich nicht zwingend aus dem Film des Schweden Fredeik Gertten ableiten, denn Push problematisiert zwar die weltweite Verdrängung der ärmeren Mieter*innen, scheut sich aber die – auch für den Veranstalter Vamos im Zentrum der Filmreihe stehende – Systemfrage zu stellen.

Filmemacher Fredeik Gertten (Foto: Wikipedia)

Der schwedischer Filmemacher und Journalist begleitete Leilani Farha, UN-Sonderberichterstatterin für das Menschenrecht auf Wohnen, durch die Welt, während diese Mieter*inneninitiativen oder Stadtverwaltungen befragt und unterstützt.

Das weltweite Vordringen der neo-liberalen Ideologie, in Westeuropa seit 1977 insbesondere von der Bertelsmann Stiftung in Gütersloh, Mehrheitseigentümerin der Bertelsmann AG, propagiert, hat auch mit bundesstaatlicher Unterstützung in Deutschland (zum Beispiel 1988/89 durch die Abschaffung der Wohngemeinnützigkeit) inzwischen das (Miet-)Wohnen zur Ware degradiert. Mit der LEG, Vonovia, Deutsche Wohnen, Grand City und TAG Immobilien, um nur die größten der börsennotierten Miethaie zu nennen, ist das deregulierte, weltweite Finanzkapital bis in die Schlafzimmer der Menschen vorgedrungen.

Die globale Ausbeutung der Mieter*innen ermöglichte dem Finanzkapital auf dem Immobilienmarkt jährlich eine Wertabschöpfung in Höhe von 136 Milliarden Dollar, macht Push deutlich. Dies entspräche in etwa der doppelten Größe des globalen Bruttoinlandsprodukts, also der Wertschöpfung aller Staaten. Die Finanzkrise 2008 habe diese Geschäfte gepusht, wie im Film John Gray vor Geschäftspartnern berichtet. Er ist Immobilienchef der Investmentgesellschaft Blackstone, die weltweit im Geschäft ist. In New York kauft sie ganze Stadtviertel. In Schweden sei eine Tochter von Blackstone in nur vier Jahren zum größten Vermieter von Sozialwohnungen geworden, erzählt ein Aktivist im Film, allerdings ohne aufzuklären, wie es dazu kam.

Für den Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz, ehemaliger Chefökonom der Weltbank, ist das Verhalten des Finanzkapitals einfach nur „unmoralisch“. Der Mafia-Kritiker Roberto Saviano verdeutlicht in Push, dass gerade im Immobilienbereich („Das legale und illegale Kapital trifft und vereint sich in den Steuerparadiesen.“) Wirtschaft und Kriminalität Hand in Hand agieren.

Die Soziologin Saskia Sassen vergleicht das Verhalten der Private-Equity-Firmen mit der Bergbauindustrie: „Sobald sie den Gewinn rausgezogen haben, um den es ihnen ging, lassen sie die ganze Gegend verwüstet zurück und ziehen weiter.“ Sie prognostiziert eine globale Krise um das Wohnen, die viele Obdachlose und entleerte Innenstädte hinterlassen würde. Viele Menschen spürten zwar, dass sich Gewichte verschieben, hätten aber nicht genug Wissen, die Hintergründe zu verstehen.

Wohnsilos in der Hafenstadt Triest.

Gerttens versucht mit seinem Film aufzuklären. Das gelingt nur teilweise. Die Berichte unter anderem aus Berlin, Toronto, London, Valparaíso (Chile) oder Südkorea dokumentieren zwar den Druck des Finanzkapitals auf die Menschen in Mietwohnungen und machen betroffen. Es fehlt jedoch häufig die plausible Erklärung, wie es dazu kommen konnte, und insbesondere die Perspektive, wie Mieter*innen erfolgreich Widerstand leisten können.

Zwar versucht der Film am Ende etwas Hoffnung zu schüren, doch die offensichtliche Machtlosigkeit der UN-Sonderberichterstatterin für das Menschenrecht auf Wohnen, Leilani Farha, lässt sich auch nicht mit der Vorstellung der von ihr gepushten Initiative „The Shift“, ein breit aufgestelltes Aktionsbündnis für bewohnbare und lebenswerte Städte, kaschieren.

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*