Eine Prise Politik ist natürlich auch dabei – 16. Straßenfest am Nieberding

Am Samstag (7. September) feiert das Nieberding das 16. Straßenfest.

Die Kreissäge kreischt und macht gewaltig Lärm, doch niemand am Nieberding in Münsters Südosten stört sich an dem Krach. Kein Wunder, denn eineinhalb Wochen vor dem 16. Straßenfest am Nieberding bauen die kreativen und handwerklich visierten Bewohner ein weiteres Schiff auf ihrer Veranstaltungswiese. „Das wird die Investor – ein Schiff, das schon gesunken ist“, erzählt Norbert Fiedler vom Verein das NieberDing mit einem Lächeln im Gesicht. Er freut sich insbesondere über den starken Zusammenhalt der rund 100 Bewohner der Parallelstraße der Umgehungsstraße in der Nähe des Gasometers: „Wir leben hier wie in einem kleinen Dorf. Fast wie bei den Galliern. Intern gibt es schon mal Ärger über stinkenden Fisch, aber gegen die Römer stehen alle fest zusammen.“

Zwar ist das Flaggschiff auf der Festivalwiese am Nieberding auch nur bedingt abfahrt bereit, schlechter geht es allerdings hinten der Investor. Die ist schon beim Bau gesunken.

Dabei ist das NieberDing, ein Verein der früher den heutigen Zusatz „Wohnraum erhalten!“ als Namen trug, nicht von Römern bedroht, sondern von Kommunalpolitikern, die immer wieder gern das Wohn-, Verwaltungs-, Gewerbe- und Partygebiet überplanen. Zuvor sollte dort ein Fußballstadion entstehen. Jüngst wollte der grüne Ratsherr Otto Reiners laut den Westfälischen Nachrichten am Nieberding ein neues Polizeipräsidium bauen: „Reiners brachte auch das bislang für einen Stadion-Neubau vorgesehene Areal an der Nieberdingstraße ins Gespräch.“ Doch die „Gallier“ am Nieberding haben einen starken Beschützer die Bundeswehr. Dazu unten mehr.

Der Garten hinter Hausnummer 15 demonstriert eindrucksvoll, warum die Bewohner des Nieberding sich manchmal – auch optisch – wie in einem Dorf fühlen.

Auch die Fläche am Nieberding – gegenüber dem Hawerkamp am Kanal gelegen – beherbergte einst eine Kaserne. Sie wurde 1934 von den Nationalsozialisten für den Fliegerhorst Loddenheide errichtet. Nach dem Krieg zogen zunächst die Briten ein, doch schon 1954 räumten sie die Häuser für Vertriebene und Flüchtlinge. In der 70er Jahren siedelte der Bund, Eigentümer der Flächen und vieler Häuser, das Kreiswehrersatzamt Münster und eine Zollschule am Nieberding an. In einigen Häusern wohnen aber weiterhin Mieter*innen.

Diese mussten seitdem ständig mit der Angst leben, aus ihren Wohnungen vertrieben zu werden. Immer neue Planungen waren im Gespräch. Was schließlich realisiert wurde, war der Bau der Umgehungsstraße, die von der Autobahn kommend eine schnelle mehrspurige PKW-Verbindung in den Kreis Warendorf und nach Ostwestfalen. Dem autobahnähnlichen Ausbau der Stadtumfahrung fiel ein Mietshaus (Nummer 25) und die Zollschule zum Opfer. „Mindestens eines der Häuser hätte damals stehen bleiben können“, sind sich die heutigen Bewohner*innen sicher.

Vor etwas über zehn Jahren erfolgte der nächste planerische Angriff auf die Wohnhäuser. Die Stadt Münster änderte den Flächennutzungsplan, um am Nieberding später ein Fußballstadion für den Drittligisten SC Preußen Münster errichten zu können. Als der Fußballverein eigene Stadionneubaupläne publizierte, flammte die Diskussion um den Standort Nieberding 2016/2017 neu auf. Inzwischen gehören diese Überlegungen zwar der Lokalhistorie an, aber der Flächennutzungsplan ist noch gültig. Deshalb müssen die Bewohner*innen weiterhin wachsam sein, denn Planer*innen der Stadt und aus der Immobilienwirtschaft entwickeln immer wieder Ideen, wie aus der Fläche mehr Profit erwirtschaftet werden könne.

Münsters Planungsdezernent Robin Denstorff, der die völlig konzeptlosen Verkehrsplanungen im stadtnahen Südosten Münsters im Amt geerbt hat, brilliert allerdings nur mit Argumenten aus der Planungssteinzeit. Die Westfälischen Nachrichten zitieren Denstorff: „Es geht darum, Verkehrsraum zu gewinnen.“ Dabei dürfte er auch die angedachte Autoverbindung zwischen Albersloher Weg und Hafenstraße gemeint haben, wo es kürzlich nicht nur eine Hausbesetzung gab, sondern mit der Initiative Bahnstadt Süd in der sich der Widerstand gegen die autoverkehrsfördernde und die Alternativkultur zerstörende Planung organisiert hat.

Die Fläche am Nieberding ist planerisch eng mit der Entwicklung am Haferkamp und auch zwischen den Bundesbahngleisen parallel zur Friedrich-Ebert-Straße verbunden. „Uns trennt ja nur der Kanal“, macht Norbert Fiedler deutlich, der einräumt, dass die weitere Entwicklung rund um den Stadthafen zwei sicherlich für ganz Münster von erheblicher Bedeutung sein dürfte. Deshalb engagieren sich die Nieberding-Gallier auch im Hafenratschlag. Diesen hat die Stadt Münster einberufen, da die Verwaltung mit den bei dem früheren Hafenforum von den Menschen eingebrachten Vorschlägen nicht zufrieden war.

„Wir wollen unseren Freiraum hier nutzen, um etwas für die Menschen zu machen. Deshalb findet auch das Straßenfest statt. Die Einzigartigkeit unseres Quartiers wollen wir erhalten. Mitgeholfen hat auch die hier gleichfalls ansässige Bundeswehr, die uns vertraglich die Veranstaltungswiese zu einem sehr günstigen Pachtzins zur Verfügung stellt“, verdeutlichte Norbert Fiedler, dass neben dem Eichamt, dem Gesundheits- und Veterinäramt mit der Lebensmittelüberwachung insbesondere die Bundeswehr Garant für die Bewohner am Nieberding sei: „Sie hat erklärt, dass sie auf Jahre noch bleiben will.“

Einer der Höhepunkte des Nieberdingfestes – der Auftritt der heimischen Band Boomtown Shakedown.

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