Mietendeckel in Berlin – Die Linke setzt auch SPD und Grüne unter Druck

© Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ / piecesofberlin.com

Als am Wochenende in Berlin ein internes Papier der Stadtentwicklungsverwaltung zum Mietendeckel an die Medien durchgestochen wurde, gab es einen gewaltigen Aufschrei der Rendite orientierten Immobilenwirtschaft sowie ihrer Vorfeldinstitutionen und auch bei konservativen und liberalen Politiker*innen, die laut Handelblatt „sozialistischen Wahnsinn“ am Werke sahen. Auch die in Berlin gemeinsam mit den Linken regierenden Sozialdemokraten und Grünen mussten schlucken. Am Montag sanken die Börsenwerte der von der Berliner Enteignungsinitiative bedrohten Aktiengesellschaften Deutsche Wohnen und Ado Properties auf lange zurückliegende Tiefstände.

Die Verwaltung der Berliner Wohnen-Senatorin Katrin Lompscher (Die Linke) will für fünf Jahre die Mieten in Häusern, die vor 2014 gebaut wurden, deckeln. Damit sind sogar Mietsenkungen möglich, denn im internen Papier, das unter anderem dem Neuen Deutschland (ND) vorliegt, beinhalte „Mietobergrenzen von maximal knapp acht Euro Kaltmiete pro Quadratmeter für Wohnungen in bis zum Jahr 2013 gebauten Häusern. Die Mieten sollten nicht nur eingefroren werden, wer zu viel bezahlt, soll auch beim Bezirksamt eine Absenkung beantragen können.“

Berliner Senatorin Katrin Lompscher (Foto: Marco Urban)

Der bei externen Juristen umstrittene Lösungsvorschlag würde vor Gericht höchstens bei deutlich überhöhter oder gar Wuchermieten Stand halten, mutmaßten diese laut ND.

„Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) distanziert sich von dem Entwurf für einen landesweiten Mietendeckel“ , vermeldet die Berliner Morgenpost in ihrer heutigen Onlineausgabe. Es läge noch keine Senatsvorlage oder gar ein Gesetzesentwurf vor.

Das Handelsblatt berichtete am Montag: „Der Mietspiegel [in Berlin] sieht so dramatisch nicht aus. Monatlich 6,72 Euro kalt je Quadratmeter stehen darin, das ist aber ein gewichteter Durchschnittswert aus vier Jahren. Wer jetzt eine Wohnung sucht, von dem verlangen Vermieter 11,60 Euro, wie Immowelt jüngst ermittelte – verglichen München (18,60 €) oder Leipzig und Essen (je 7 €) ein mittelmäßiger Wert. Aber nirgends steigen die Angebotsmieten demnach nur annähernd so stark wie in Berlin: In zehn Jahren haben sie sich verdoppelt.“

Dass der Mietendeckel nötig ist, daran lässt Lompscher laut ND keinen Zweifel aufkommen: „Die angekündigten Mieterhöhungen der Deutsche Wohnen zeigen, dass sich der Markt nicht von selbst regelt“, sagte sie. Deshalb haben die Anlegern auch heftig reagiert. Laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) verlor seit Bekanntwerden der neuen Vorschläge der Aktienkurs der Deutsche Wohnen AG bis Montagnachmittag fast fünf Prozent auf knapp 28,70 Euro ein. Vor dem Senatsbeschluss zum Mietendeckel lag der Kurs noch bei über 42 Euro.

„Nicht der radikalste Vorschlag ist der beste, sondern der wirksamste Vorschlag“, ließ Berlins Innensenator Andreas Geisel in seiner Funktion als SPD-Landesvize das ND wissen. „Wenn wir die Marktwirtschaft beim Mietendeckel ausblenden, gäbe es keine notwendigen Sanierungen mehr, keinen Klimaschutz und keinen dringend erforderlichen Neubau von bezahlbaren Wohnungen“, so Geisel weiter im ND.

Berlins Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) mahnte im Berliner Tagesspiegel am Montag einen „vernünftigen Interessenausgleich zwischen Mieterschutz und einem rechtmäßigen Eingriff in den überhitzten Mietenmarkt“ an. „Unbedingt notwendig“ sei ein „rechtssicherer und umsetzbarer Weg“. Zwar müssten „Mietwucher“ bekämpft und Mieter geschützt werden, andererseits dürften Vermieter nicht „unter Generalverdacht der Spekulation gestellt werden“.

Das Neue Deutschland wusste am Dienstag zu berichten, dass die geplante Genehmigungspflicht für Eigenbedarfskündigungen aus dem Papier schon wieder vom Tisch sei.

Kommentar

Da setzt die Wohnen-Senatorin Berlins um, wofür die Linken in der Hauptstadt gewählt wurden sind, und schon gibt es Schnappatmung bei Immobilienkonzernen, aber auch bei Mitgliedern der Koalitionspartner. In Berlin gingen die Mieten in den vergangenen Jahren trotz aller Maßnahmen des Senats durch die Decke. Bei den meisten Mieter*innen stiegen die Löhne – und erst recht nicht die Renten und öffentlichen Transferleistungen – natürlich nicht in vergleichbarer Größenordnung. So kam es zur schleichenden Enteignung vieler Mieter*innen. Einige rutschten sogar in die Obdachlosigkeit ab. Dieser Skandal beunruhigte nur wenige Kapitaleigner*innen und Politiker*innen jenseits der Linken, was eigentlich schon wieder ein Skandal ist. Nun versucht Katrin Lompscher umzusetzen, was die Berliner rot-rot-grünen Partner*innen vereinbart haben. Da kann ich nur für die Berliner Mieter*innen hoffen, dass die Regierungspartner SPD und Grüne Haltung zeigen und zu ihrer Koalitionsvereinbarung mit der Linken stehen. Zweifel sind auf jeden Fall angebracht, da die angedachten Genehmigungen für Eigenbedarfskündigungen schneller von der Tagesordnung verschwanden, als viele Mieter*innen diese zur Kenntnis nehmen konnten.

Werner Szybalski

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