Leben auf der Baustelle

Das schrille Pfeifen des Bohrers ist so laut, dass die Begrüßung durch Sabine Buschmann, LEG-Mieterin in der Korte Ossenbeck am Aasee praktisch nicht zu verstehen ist. Die 45-Jährige, Mitglied der LEG-Mieter*innen-Initiative Münster, wehrt sich mit rund 20 weiteren LEG-Mieter*innen gegen die laufende Sanierung beziehungsweise anstehende Modernisierung ihrer Wohnungen. Seit rund elf Jahren wohnt die alleinerziehende Mutter eines fast Zwölfjährigen in dem Hochhaus am Aasee.

Sabine Buschmann wehrt sich. Einige von der LEG geplante Maßnahmen lehnt sie strickt ab, da sie aus ihrer Sicht keine Verbesserungen bringen.

Am 24. April vergangenen Jahres teilte die LEG den Bewohnern der Häuser an der Korte Ossenbeck, insgesamt 64 Mietparteien, davon allein die Hälfte im Haus mit der Straßenummer eins. Für insgesamt 3.743.408.00 Euro sollte zwischen dem 30. Juli und dem Jahresende 2018 modernisiert und renoviert werden. Die Renovierungskosten, die beachtliche 43,78 Prozent (1.683.894,00 Euro) betragen sollen, trägt der Vermieter.

Die Bauarbeiten machen viel Dreck.

Trotzdem soll die Miete für die 74 m²-Wohnung im zweiten Stock laut Modernisierungsankündigung um 178,93 Euro steigen. „Einige sogenannte Modernisierungsmaßnahmen sind unnötig und andere dienen aus meiner Sicht nicht gerade der Verschönerung der Häuser. Der Klinker verschwindet zum Beispiel hinter der Dämmung. Meine Fenster wurden erst 2003 eingebaut. Sie haben vermutlich den nahezu gleichen Dämmwert wie die zukünftigen Fenster“, ärgert sich Sabine Buschmann, während sie in dem überquellenden LEG-Ordner blättert. „Mein Balkon geht zur Boeselagerstraße raus. Für die Küchen- und Wohnzimmerfenster sowie die Balkontür wäre nur eine dreifache Verglasung eine wirkliche Modernisierung“, so Buschmann. Nicht bei ihr, aber anderen Mieter*innen im Haus, wäre auch der zukünftige Estrich auf dem Balkon eine Verschlechterung, da sie selbständig gefliest hatten. Die LEG will sich nicht auf einen Kompromiss einlassen, berichtet Sabine Buschmann.

Seit Monaten schon eingerüstet.

Ein Nachbar aus dem fast außen vollständig modernisierten Haus (Bild oben) wehrt sich gegen die LEG, weil er gleichfalls keine neuen Fenster möchte. Diese hat ihn verklagt: er soll den Einbau der neuen Fenster dulden. Der Rechtsanwalt hat ein Erwiderungsschreiben an das Amtsgericht in Münster geschickt, in dem er sogar die Rechtmäßigkeit der Modernisierungsankündigung bestreitet.

Auch die Zahlen zur aktuellen und zukünftigen Wärmedämmung (Außenwand, Flachdach, Kellerdecke, Fenster der Wohnungen, Fenster im Treppenhaus) sowie die voraussichtlichen künftigen Betriebskosten würden fehlen, erwidert der Rechtsanwalt gegenüber dem Gericht. Grundsätzlich widerspricht das Schreiben der LEG-Darstellung über die Energieeinsparung durch die neuen Fenster: „Entschließt sich der Vermieter zu einem Fenstertausch, so müssen die Fenster den aktuellen Mindestanforderungen hinsichtlich Schall- und Wärmeschutzes entsprechen (LG Berlin, 67 S 64/07). Die neuen Fenster entsprechen nicht der aktuellen Norm für Schallschutzfenster (DIN 4109). Sie sind tatsächlich sogar noch schlechter als die alten Fenster.“ Das Amtsgericht Münster hat Mitte September einen Erörterungstermin angesetzt. Zumindest bis dahin werden auch die anderen Mieter*innen an der Korte Ossenbeck den Einbau neuer Fenster verweigern.

Das inzwischen verbaute Dämmmaterial und auch die Balkontüren und Fenster ließ die LEG über den Winter draußen stehen.

Wie die LEG arbeitet, wurde an der Korte Ossenbeck deutlich. „Nachdem die ersten Materialien angeliefert worden waren und Gerüste errichtet werden sollten, fragten wir uns, warum es kein Baustellenschild gibt?“, berichtet Sabine Buschmann, dass zwar ein Baustellenschild nicht nötig sei, aber für einige der geplanten Arbeiten ein amtliche Baugenehmigung erforderlich sei. „Es wurde sogar ohne jegliche Schutzmaßnahme Asbest entfernt“, ist Sabine Buschmann noch zehn Monate später entrüstet über den Umgang der LEG-Verantwortlichen mit Mieter*innen und Bauarbeitern.

Ein Schreiben der LEG-Aktivisten an der Korte Ossenbeck an das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen brachte schließlich den Baustopp. Ab dem 3. September 2018 lebten die Mieter*innen auf einer ruhenden Baustelle. nach Kenntnis von Sabine Buschmann ging erst Anfang diesen Jahres ein Bauantrag bei der Stadt Münster ein. Insgesamt lag die Baustelle laut eines Berichtes der Westfälischen Nachrichten sieben Monate still. Trotz des anhaltenden Widerstands zahlreicher Mieter*innen wird aber seitdem saniert und modernisiert. Nicht zur Zufriedenheit der Bewohner*innen.

Diese Baustelle ist inzwischen fast abgeschlossen. Probleme gibt es aber trotzdem für alle Mieter*innen.

Nicht nur einzelne Mieter*innen, die bislang den Einbau der Fenster verweigert haben, sondern alle im fertig gestellten Bau direkt an der Bushaltestelle haben nun ein neues Problem, wie Sabine Buschmann schildert: „Durch die aufgesetzte Wärmedämmung und die Umgestaltung der Balkone ist die veränderte Balkonbrüstung nicht mehr hoch genug. Nun droht ein Verbot, die Balkone zu nutzen.“

Hinweis: Die LEG-Mieter*innen-initiative Münster macht die Modernisierung zum Schwerpunktthema des Monatstreffen im August. Es findet am Mittwoch, dem 7. August, um 19 Uhr an der Korte Ossenbeck statt. Alle Mieter*innen sind willkommen.

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*