EU-Bürgerinitiative „Housing for All“ fordert soziale Wohnungspolitik

„Großinvestoren spekulieren auf hohe Renditen und kaufen ganze Stadtteile auf. Fakt ist: Der ungezügelte Kapitalmarkt wird niemals breite Schichten der Bevölkerung mit leistbarem Wohnraum versorgen. Hier muss die nationale Politik eingreifen und die EU bessere Voraussetzungen schaffen“, sagte die Wienerin Karin Zauner-Lohmeyer, Mitgründerin und Sprecherin der Initiative der Europäischen Bürgerinitiative „Housing for All“ im Gespräch mit Ver.di Publik (Der neue Häusterkampf von Werner Rügemer), die jüngst die Petitionsinitiative in der Gewerkschaftzeitung auf der Titelseite und zwei Innenseiten vorstellte.

Die Europäische Bürgerinitiative „Housing for All“ sammelt Unterstützer*innen und Unterschriften. Die Wohnungsnot ist inzwischen in Europa dramatisch, wie Berichte unter anderem aus Portugal, Deutschland, Großbritannien, Spanien, Schweden, Frankreich oder Österreich beweisen. Um zumindest in den EU-Ländern bessere Bedingungen für Städte und Gemeinden zu erreichen, haben sich in der Europäischen Bürgerinitiative, einem überparteilichem Netzwerk von Mieterverbänden, Menschenrechtsorganisationen, kirchlichen Einrichtungen, Interessensvertretungen von Studierenden, Pensionist*innen, Alleinerziehenden als auch von gemeinnützigen und kommunalen Wohnbauträgern, Bauwirtschaft, Städtenetzwerken sowie Privatpersonen, die sich für bezahlbareres Wohnen in Europa einsetzen.

Die LEG-Mieter*innen-Initiative Münster unterstützt die Forderungen von „Housing for All“ und ist dem Netzwerk beigetreten. Sie sammelt in Münster Unterschriften. Die Petition kann natürlich auch online unterzeichnet werden.

Die Europäische Bürgerinitiative hat die Petition gestartet, die bis zum 18. März kommenden Jahres von einer Million wahlberechtigter EU-Bürger*innen unterzeichnet werden muss, damit die EU-Kommision und das Europäische Parlament sich die Vertreter*innen von „Housing for All“ anhören und das Begehren behandeln müssen. Allein in Deutschland müssen nach EU-Vorschriften 72.000 Unterschriften zusammenkommen.

Die EU verlangt, dass die Initiative international ist. Deshalb gründeten im März 2019 sieben Bürger*innen aus Österreich, Kroatien, Spanien, Portugal, Schweden, Zypern und Deutschland diese Europäische Bürgerinitiative. Sie fordert:

  • Bereitstellung von günstigen Finanzmitteln für leistbares Wohnen
  • Erleichterter Zugang zu gefördertem Wohnbau
  • Gegen Beschränkungen öffentlicher Investitionen von Wohnraum
  • Keine Steuervorteile für Kurzzeitvermietung
  • Erhebung des Wohnbedarf und der Wohnkosten in den europäischen Städten und Regionen

Die Wohnungspolitik untersteht den jeweiligen nationalen Regierungen. Die EU stellt aber auch für die Wohnungspolitik verbindliche Rahmenbedingungen auf. „Housing for All“ fordert, dass die EU-Vorgaben für das Beihilferecht nicht mehr auf „Problemgruppen“ beschränkt bleibt: „Das muss geändert werden, denn Wohnungsnotstand betrifft längst auch die Mehrheit der abhängig Beschäftigten.“ Zudem sollen die Maastricht-Kriterien für die Grenzen der öffentlichen Verschuldung für den Sozialwohnungsbau außer Kraft gesetzt werden. Die EU soll zukünftig, zum Beispiel durch die Europäische Investitionsbank EIB, günstige Kredite mit niedrigen Zinsen für gemeinnützige und öffentliche Wohnbauträger bereitstellen. Die profitorientierte Kurzzeitvermietung von Wohnungen durch Online-Plattform-Konzerne wie Airbnb soll massiv eingeschränkt werden. Zudem kritisiert die Initiative: „Die offiziellen Angaben zu Durchschnittsmieten – wie durch die EU-Statistikbehörde Eurostat – verschleiern die Notstände. Deshalb: kleinteilige Datenerfassung über einzelne Städte, Stadtviertel, Straßen!“

Zwar seien in Deutschland „die Forderungen an die EU eher zweitrangig“, schreibt Werner Rügemer in Ver.di Publik, da „die verfassungsrechtliche Schuldenbremse […] das viel größere Problem“ sei. Aber die Initiative „Housing for All“ mit ihrer Unterschriftensammlung sei – wie die Initiative „Deutsche Wohnen enteignen!“ in Berlin – eine Aktionsform, um Wohnen als Menschenrecht politisch und öffentlich voranzubringen.

Die Wohn- und auch die Nebenkosten stiegen ungleich schneller als die Arbeitseinkommen – und viele Arbeitseinkommen stagnierten eher. Auch Millionen Rentner*innen seien betroffen, ebenso befristet Beschäftigte, Arbeitslose, Soloselbstständige und sogenannte Crowdworker.

Die bislang 48 Unterstützerorganisationen der Europäischen Bürgerinitiative zeigten, was alles an der Wohnungsnot mit dranhängt: Arbeiten, Wohnen, Renten, Stadtplanung, öffentliche Haushalte. Und wie sie sich verbündeten. „Die Aktions- und Organisationsformen müssten sich ändern – radikalisieren“, so der Appell des Journalisten.

Unterstützerorganisationen der Europäische Bürgerinitiative „Housing for All“.

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